Ventspils, Kuldiga und Slitere
Im Westen Lettlands liegt Kurland, auf lettisch Kurzeme. Die ruhige kurländische Landschaft ist geprägt von Schlösser, Burgen und Herrenhäuser in einer an dichten Wäldern, einsamen Strände, sanfte Hügelketten, Wasserfällen und Höhlen reichen Natur. Auch Störche sind hier noch zahlreich anzutreffen.
Im Zentrum des nördlichen Kurlands befindet sich die Stadt Kuldiga, auf deutsch Goldingen genannt. Sie liegt an den Flüssen Venta und Aleksupite, entlang der sich die malerische Altstadt erstreckt. Die alten Holzhäuser, an denen schon sichtlich der Zahn der Zeit genagt hat, erzeugen eine eigentümliche Atmosphäre wie aus einer anderen Welt. Nahe Kuldiga liegt Ventas rumba, mit 110 m Europas breitester Wasserfall. Kommt man aus Richtung Riga, so landet man vor Kuldiga in Sabile, wo es doch tatsächlich einen Weinberg gibt, in dem nördlichsten Weinanbaugebiet der Welt. Bereits seit dem 16. Jahrhundert wird hier Wein angebaut.
Rund 60 Kilometer nordwestlich von Kuldiga, an der Küste, liegt mit Ventspils eine der ältesten Städte Lettlands. Das erste Gebäude in Ventspils war die Burg des Livländischen Ordens. Sie ist die älteste Ordensburg Lettlands, erstmals schriftlich erwähnt im Jahr 1290, und besteht aus vier Abschnitten, die durch dicke Mauern getrennt sind. Heute befindet sich in der Burg das sehenswerte historische Stadtmuseum. Im Mittelalter war Ventspils, das auf deutsch Windau heißt, Mitglied der Hanse und aufgrund seiner Lage an der Mündung der Venta in die Ostsee konnte Ventspils zu einem wichtigen Hafen werden. Unter Herzog Jakob Kettler, der von 1642 bis 1682 Kurland regierte, waren Ventspils und Liepaja die Heimathäfen einer der größten europäischen Handelsflotten. Das Herzogtum Kurland besaß damals sogar Kolonien in der Karibik (Tobago, damals Neukurland genannt) und in Westafrika (James Island am Gambia-Fluss). „Lettische Kolonien“ – ein unerwartetes Kapitel der Geschichte im Baltikum.
Ein Spaziergang entlang der See-Promenade in Ventspils, zeigt aus erster Hand den Fortschritt, den diese Stadt seit der Unabhängigkeit Lettlands gemacht hat. 1999 bekam Ventspils als erste Stadt Lettlands die „Blaue Flagge“ als Auszeichnung für die Wasserqualität am Stadtstrand. Es ist kein Wunder, daß der Strand heute zu einem Zentrum des städtischen Lebens geworden ist.
Ventspils ist ein guter Ausgangspunkt für eine Fahrt noch weiter in den äußersten Norden Kurlands, in den bemerkenswerten Slītere-Nationalpark. Er ist ein Küsten-, Moor- und Meeresschutzgebiet, daß zu ausgedehnten Wandertouren oder Fahrradausflügen einlädt. Hier leben die letzten Angehörigen der Liven, eines der kleinsten Völker Europas. Sie sprechen eine nicht mit dem Lettischen verwandte, finno-ugrische Sprache und nach ihnen wurde im Mittellalter das gesamte Gebiet des heutigen Estland und Lettland „Livland“ genannt. Das kulturelle Zentrum der Liven befindet sich heute in dem kleinen Küstenort Mazirbe. Dort wo Ostsee und Rigaer Bucht aneinander treffen, liegt Kap Kolka, die nördliche Spitze Kurlands. Hier lassen sich natürliche, dynamische Prozesse des Küstenwandels beobachten und eine Fauna und Flora erkunden, wie sie an den zugebauten Küsten Westeuropas selten geworden ist. Fährt man weiter Richtung Süden, so gelangt man zum Schloß von Dundaga, eines der ältesten und größten seiner Art in Kurland. An der Westküste der Rigaer Bucht ist der kleine Fischerort Roja einen Halt Wert. Heute werden von hier vielfältige Freizeitaktivitäten angeboten und der Tourismus entwickelt sich stetig weiter.