Narva und der Peipussee
Nur der schmale Narva-Fluss trennt Narva von Russland, bis Sankt Petersburg sind es nur 130 Kilometer. Die Geschichte Narvas lässt sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen, als die ersten Dänen ins Land kamen. Die schwedischer Besatzungszeit im 16. und 17. Jahrhundert gilt als Blütezeit der Stadt, doch Zeugnisse aus dieser Zeit gibt es heute nur noch wenige zu bewundern, da die Altstadt in den schweren Bombardierungen im 2. Weltkrieg von der Roten Armee zerstört wurde. Es ist jedoch bis heute deutlich zu sehen, daß die Stadt aus einer militärischen Festung entstand: Die mächtige Narva Burg, erbaut 1276, erhebt sich an der estnisch-russischen Grenze und ist ein eindrucksvolles architektonisches Denkmal. Die Burg grenzt direkt an den Narva Fluss, an dessen gegenüber liegendem Ufer, in Russland, die Burg von Ivangorod steht, die auf estnisch Jaanilinna genannt wird. Wichtige Handelsrouten führten durch Narva, welche die Stadt zu einem wichtigen Knotenpunkt für den Verkehr vom Baltikum und Europa nach Russland und Asien machten und bis heute machen.
Die Burg von Narva und ihre Schwesteranlage auf der russischen Seite des Flusses sind bereits bei der Einfahrt in die Stadt zu sehen. Es ist möglich, den Turm der Burg zu besteigen und von oben bietet sich ein einmaliger Panoramablick auf die Stadt bis hinüber nach Russland. Die Burg beherbergt auch das Narva-Museum, das die Geschichte der Stadt anschaulich darstellt. Nördlich der Burg befindet sich das barocke Rathaus, erbaut 1668-1671. Die russisch-orthodoxe Voskresensk-Kathedrale von 1898 ist ebenfalls einen Besuch wert. 12 Kilometer außerhalb von Narva liegt Narva-Jõesuu, ein Kurort aus dem 19. Jahrhundert. Dieser Ort war ein beliebter Urlaubsort der russischen Artistokrartie und strahlt immer noch etwas von seinem alten Charme aus. Auch wenn Narva-Jõesuu nur klein ist, so gibt es hier doch eine Reihe von Hotels und einen breiten Sandstrand.
Der Narva-Fluss und der im Süden anschließende, riesige Peipussee (Peipsijärv) bilden schon seit Jahrhunderten die Grenze zweier Religionen: Im Osten die russisch-orthodoxe Kultur und im Westen zuerst der Katholizismus und später der Lutheranismus. In den Geschichtsbüchern findet sich die „Schlacht auf dem Peipussee“ von 1242, in der eine Streitmacht des Deutschen Ordens von einem russischen Herr unter Alexander Newski auf dem zugefrorenen See vernichtet wurde. Damit wurde die weitere Expansion des Deutschen Orden nach Osten beendet und die bis heute bestehende Begrenzung Estlands nach Osten durch den Peipussee hat in dieser Schlacht seine Wurzeln.
Der Peipussee bedeckt eine Fläche von 3500 Quadratkilometern und ist damit der viertgrößte See Europas. An den Küsten des Sees leben die „Altgläubigen“. Dieses sind orthodoxe Siedler, die im 17. Jahrhundert vor den Reformen der Orthodoxen Kirche in Russland geflüchtet sind, und am Peipussee Schutz gefunden haben. Seit dieser Zeit lebt diese Gesellschaft weitestgehend unabhängig ohne Assimilierung an die estnische Kultur. Es wird davon ausgegangen, daß heute bis zu 15000 Altgläubige in Estland leben. Die Ortschaften Mustvee und Kallaste am Peipussee sind die größten Siedlungen der Altgläubigen.